Blog: Bewusste Schritte in eine neue innere und äußere Freiheit und ein neues Standvermögen

von Christine Warcup (Kommentare: 0)


Kennst du das? Du bemerkst, dass etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte – und du denkst: „Was habe ich falsch gemacht?“
In einem meiner letzten Workshops sprachen wir über die Tendenz von Frauen, bei Dingen, die schieflaufen, sehr schnell in ähnlicher Form zu denken, also den „Fehler“ zunächst einmal bei sich zu suchen.
Alle Frauen in der Runde hatten den Eindruck, dass Männer eher fragen: „Was läuft hier falsch oder was ist hier falsch gelaufen?“, während eine Frau sofort ergänzte: „Oder sie fragen sofort: Was hast DU falsch gemacht?“.

Ob das stimmt, weiß ich nicht. Mich interessiert viel mehr, warum wir so oft den Fehler zunächst bei uns selbst suchen. Ich bin eine große Befürworterin der Eigenverantwortung (wenn sie auch bei aller Freiheit, die sie uns gibt, manchmal sehr unbequem sein kann), aber ich halte es nicht für heilsam, sich sehr schnell selbst in Frage zu stellen.

Warum suchen wir so schnell den „Fehler“ bei uns selbst?

Häufig haben wir erlebt, dass wir für andere Verantwortung übernehmen mussten, oft genug auch eine emotionale Verantwortung, die wir als Kinder gar nicht leisten konnten. Das heißt, wir haben uns bemüht, alles irgendwie „richtig“ zu machen, Verantwortung zu übernehmen, wir mussten dabei aber häufig scheitern. Und oft ist ein ungutes Gefühl dabei zurückgeblieben, ein Gefühl, es wieder nicht geschafft zu haben, einen „Fehler“ gemacht zu haben - oder anders ausgedrückt – wir hatten das Gefühl, dass alles besser gelaufen wäre, wenn wir es nur „besser“ gemacht hätten.

Und dieses Gefühl beschleicht uns heute auch noch oft genug und lässt uns manchmal regelrecht zusammenschrumpfen. Der Atem wird flach, wir ziehen den Kopf ein wenig ein und manchmal werden wir fast handlungsunfähig. Oder wir beginnen, uns vehement zu rechtfertigen – manchmal sogar, bevor ein Angriff oder eine Anklage von außen gekommen ist.
Wir haben unbewusst Angst vor einer Reaktion, die wir oft erfahren haben oder gar vor Sanktionen.

Die Tendenz, „Beweise“ gegen uns selbst zu verwenden

Wenn wir dann unsicher sind, beobachten wir - mehr oder weniger bewusst - die Reaktionen, die Körpersprache oder Mimik der anderen Personen und interpretieren wild drauflos. Das heißt, dass wir annehmen, dass X so grimmig schaut, weil WIR etwas falsch gemacht haben, oder dass Y so genervt aussieht, weil er uns eh für unfähig hält usw. Wir verwenden das, was wir wahrnehmen, gegen uns, manchmal erbarmungslos.

Wir sehen aber nur äußere Zeichen, wir wissen nicht, was im anderen wirklich vorgeht. Vielleicht hat er oder sie selbst Angst, etwas falsch gemacht zu haben. Vielleicht hat er oder sie ebenfalls Angst vor unangenehmen Reaktionen oder Beschuldigungen. Wir wissen nicht, was im anderen vorgeht, aber er oder sie schaut vielleicht genauso wie unser Vater immer geschaut hat, wenn er genervt war, oder wie die Mutter, die überfordert war.

Und so übertragen wir alte Erfahrungen auf heutige Situationen und interpretieren so, wie es zu unseren alten Erfahrungen passt.

Bewusste Schritte in eine neue Freiheit

  1. Der erste Schritt ist die bewusste Wahrnehmung unserer Reaktion auf schwierige Situationen. Erst wenn wir unsere Gedanken – und die entsprechenden Gefühle - bewusst wahrnehmen, sind wir in der Lage, Gedanken zu verändern.

    Wenn wir gar nicht mitbekommen, dass ein gewohnheitsmäßiger Gedanke in uns aufsteigt, sind wir schon mitten in unangenehmen Gefühlen und scheinen machtlos zu sein.

    Der nächste Schritt ist ein bewusstes, aktives Mitgefühl mit uns selbst, unseren unangenehmen Gedanken und Gefühlen. Wir sind ja nicht einfach „blöd“, weil wir so etwas denken, sondern es hat oft langes Training gebraucht, um Verhaltensweisen zu lernen, die uns vor Unangenehmerem bewahrt haben. Wenn wir die Gedanken und Gefühle einfach nur wahrnehmen, sie registrieren, ohne uns dafür zu verurteilen, ist das schon ein wichtiger Schritt in Richtung Mitgefühl mit uns selbst.
  1. Der nächste Schritt ist die bewusste Entscheidung, Dinge die wir im Außen wahrnehmen, nicht zu uns zu nehmen, also z. B. den genervten Gesichtsausdruck unseres Kollegen oder unserer Kollegin bei ihm oder ihr zu lassen. Vielleicht machen ihnen gerade Bauchschmerzen zu schaffen oder sie sind in einer schwierigen Phase in ihrer Ehe oder was auch immer.
    In den meisten Fällen hat ihr Gesichtsausdruck herzlich wenig mit uns zu tun.
  1. Und der nächste Schritt ist gerade für diejenigen unter uns wichtig, die gern handeln:
    Statt sofort im Außen aktiv zu werden, ist es ratsam, die Handlungsenergie in die bewusste Entscheidung zu stecken, alles im Außen Wahrgenommene NICHT gegen uns zu verwenden.
    Ich weiß, das ist zunächst nicht einfach. Es braucht Übung.

Ein neues Standvermögen

Wenn wir immer wieder bewusst entscheiden, das Wahrgenommene nicht gegen uns zu verwenden, sind wir nicht mehr so viel im Außen beschäftigt, bzw. mit vermeintlich notwendigen Schutzmaßnahmen vor dem Außen. Wir können uns dann viel entspannter um uns selbst kümmern, unsere inneren Bewegungen wahrnehmen und uns mitfühlend um ängstliche Anteile in uns kümmern. So gewinnen wir immer mehr Sicherheit in uns und können viel selbstverständlicher und selbstbewusster ganz in Ruhe unseren Standpunkt vertreten.

Damit steht uns all die Energie zur Verfügung, die wir sonst in unsere Rechtfertigung oder in die Abwehr vermeintlicher Vorwürfe oder Angriffe gesteckt hätten.
Und mit dieser Energie haben wir eine ganz andere Außenwirkung.
Wir können dann in einer neuen inneren und äußeren Freiheit unseren Standpunkt vertreten, statt wie bisher aus einer Not zu reagieren. Die Resonanz im Außen wird dann entsprechend ausfallen.

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